Mythos Motivation

Mitarbeiter zu motivieren scheint kein leichtes Unterfangen im Unternehmen zu sein. Zahlreiche Bücher, Aufsätze und Seminare wurden bereits zu diesem Thema verfasst, um das beste Motivationssystem zu finden. Insbesondere monetäre Entlohnungssysteme sind populär, obwohl diese Extra-Boni paradoxe Begleiterscheinungen haben, die sich teilweise negativ auf das Arbeitsklima zwischen den Kollegen und das auf kooperative Handeln auswirken. Auch einzelne Abteilung kämpfen für ihre Prämie und bekämpfen somit die weiteren Abteilungen im Unternehmen. Nach Sprenger muss das Wort Motivation an sich unter die Lupe genommen werden, da es fälschlicherweise für einen Zustand verwendet wird, der so nicht eintritt. Motivation bedeutet nach seiner Definition die Eigensteuerung des Individuums während Motivierung als Fremdsteuerung bezeichnet wird. Bei letzterem handelt es sich um das absichtsvolle Handeln eines Vorgesetzten oder Funktionieren von Anreizsystemen. Das Wohlbefinden in der Arbeitsumgebung und mit der persönlichen Aufgabe, die man innerhalb des Unternehmens zu bewältigen hat, ist viel wertvoller für die eigene Motivation, da der Mitarbeiter das Gefühl hat, einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen statt nach „Dienst nach Vorschrift“ zu arbeiten.[1] Auch Umfragen zufolge hat die Beschäftigung im Unternehmen eine viel höhere Stellung, wenn sie Lust und Spaß bereitet, abwechslungsreich und herausfordernd, ein selbstbestimmtes Arbeiten vorweist, den Mitarbeitern gewisse Aus- und Weiterbildungen angeboten werden sowie eine gewisse Partizipation. Diese Aspekte sind weitaus bedeutsamer als ein attraktives Gehalt. Selbstverständlich ist ein angemessenes Gehalt wichtig, aber auf lange Sicht motiviert eine höhere Bezahlung nicht zu einer höheren Leistung. Der Wunsch nach einer sinnvollen und erfüllenden Tätigkeit hat einen höheren und motivierenden Stellenwert. Kurz gesagt ist Geld für denjenigen entscheidend, bei dem der Rest im Unternehmen nicht mehr „stimmt“.[2]

Um aber die Motivation der Mitarbeiter konstant zu halten, wird davon ausgegangen, dass sich Motivation dauerhaft durch Geld einstellen lässt. Hier geht man nach dem Prinzip vor, dass Motivation käuflich ist und setzt gezielt Bonus-Systeme ein, um die Mitarbeiter-Motivation beherrschen und steuern zu können. „Die Quelle aller Motivierung ist der Verdacht“, heißt es weiter bei Sprenger, womit er sagen will, dass dem Mitarbeiter nicht sein volles Gehalt gezahlt, sondern etwas davon vorenthalten wird (Stichwort: leistungsorientierte Bezahlung!!), um ihn zu mehr Leistung zu motivieren, so dass die Motivationslücke zwischen tatsächlicher und möglicher Arbeitsleistung gefüllt wird. Die Logik eines Bonus-Systems erklärt sich demnach folgendermaßen: „Der Bonus ist in dieser Variante nichts anderes als ein Misstrauensabschlag, eine vorab verhängte, gleichsam negative Verdachtsstufe. “ Demzufolge müsste das „leistungsorientierte Einkommen“ eigentlich „Misstrauensorientiertes Einkommen“ heißen.[3] Das bedeutet für den Mitarbeiter, dass ihm von Beginn an unterstellt wird, dass er auf freiwilliger Basis nicht sein Bestes gibt und demnach motiviert werden muss. Weitere, alarmierende Form des Bonus-Systems, ist die Tatsache, dass bei geringerem Umsatz auch die Personalkosten sinken, weil unternehmerisches Risiko auf die Mitarbeiter übertragen wird. Dies trifft insbesondere diejenigen, die ihr Einkommen über einen hohen, variablen Anteil beziehen.[4] Insbesondere Außendienstmitarbeiter, die meist über Boni bezahlt werden, bspw. für bestimmte Dienste und Produkte, die sie an den Kunden bringen müssen, handeln auf Grund des strikten Bonus-Systems so, dass sich ihr Handeln nicht vorrangig an den Bedürfnissen des Kunden orientiert, sondern sie bestrebt sind, ihren Bonus-Plan zu erfüllen.[5] Dies führt also dazu, dass durch die Arbeit kein großer Nutzen gestiftet wird, sondern das bestmögliche dafür getan wird, um die größtmögliche Belohnung zu erhalten. Dies führt zwangsläufig dazu, dass das Interesse an der Arbeit schwindet und die Sicherung von Einkommen der entscheidende Faktor ist. Vergleicht man das Bonus-System mit dem gewöhnlichen Gehaltssystem, so ist Letzteres vorteilhafter, weil sich hier der Arbeitnehmer „inhaltlich“ wesentlich mehr auf seine Arbeit konzentrieren kann, da die Arbeit nicht direkt an eine Belohnung gekoppelt ist und das Verhältnis zum Geld nicht reflektorisch belohnend oder bestrafend ist. Dies führt letztlich zum Verdrängungseffekt, sprich also, dass das Interesse an der eigentlichen Arbeit durch die Belohnung verdrängt wird bzw. die extrinsische Motivation die intrinsische Motivation verdrängt.[6] Wird der leistungsorientiertem Ansatz angewendet, kann ggf. für einen kurzen Zeitraum der Anreiz des Geldes das Schaffen des Mitarbeiters bestimmten, doch gewiss nicht zu einem kreativen, innovativen Arbeit führen. Innovationen und Kreativität gehen immer mit einer intrinsischen Motivation einher, da dieser Prozess immer auf Neugier und Freude am Tun beruht. Man kann also sagen, dass Geld keine Ideen bringt, wohl aber Ideen Geld, die durch Bonus-Systeme auf der Strecke bleiben könnten, weil der Mitarbeiter überwiegend die Erreichung von Sollvorgaben im Sinn hat und diese Aufgaben erfüllen muss.[7]

Führungskräfte sind derweil bestrebt, ihre Mitarbeiter zu motivieren, indem Dienstwagen, Verdienstprämien und Mitarbeiter des Monats gekürt werden. Bei Letzterem ist zwar derjenige glücklich, aber Urkunden und Auszeichnungen haben sogar eine demotivierende Wirkung, insbesondere für diejenigen, die sie nicht erhalten haben. Auch Zuwendungen bzw. Extras wie Laptops, Dienstwagen o.ä. haben auf dem zweiten Blick eine demotivierende Wirkung, da davon ausgegangen werden kann, dass diese Extras nach und nach die Belohnung vor das eigentliche Handeln stellen. Eine langfristige Motivation kann folglich nur erreicht werden, wenn genügend Freiräume, Lerngelegenheiten, herausfordernde Aufgaben, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, gute Beziehungen zu Kollegen und Vorgesetzten gegenwärtig sind und dass der Mitarbeiter selbst einen sinnvollen Beitrag zum Arbeitsumfeld leistet. Demzufolge müssten Geld und Motivation voneinander getrennt betrachtet werden.[8] Um die Kreativität der Mitarbeiter zu fördern, werden teilweise Kreativitäts-Workshops veranstaltet, heute auch unter dem Namen „lernende Organisation“ zu finden.[9]

Was aber ist die Ursache der Motivations-Welle? Es scheint, als bestünde ein großes Misstrauen gegenüber dem Arbeitnehmer, so dass eine Lücke zwischen tatsächlicher und möglicher Arbeitsleitung zu schließen sei. Besonders drastisch ausgedrückt handelt es sich bei Motivierung um ein methodisches Misstrauen, insbesondere die Hierarchietreppe abwärts. So betrachtet, sind die Mitarbeiter in einer Kontroll-Organisation beschäftigt und man spricht von Kontroll-Spannen. Motivierung funktioniert hier auf einer auf Verdacht aufgebauten Unternehmenskultur, so dass ein entsprechendes Kontroll-Verhältnis zwischen dem Vorgesetzten und seinen Mitarbeitern entsteht. Unternehmen mit einer jedoch flachen Hierarchie zeichnen sich aber dadurch aus, dass das Wort „Spanne“ vermehrt durch „Vertrauen“ ersetzt wird. Eine flache Unternehmenshierarchie beruht folglich darin, dass den Mitarbeitern Vertrauen entgegengebracht wird.[10]



[#1] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 17 ff.
[#2] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 93 ff.
[#3] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 95 f.
[#4] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 102.
[#5] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 105.
[#6] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 108 ff.
[#7] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 124 ff.
[#8] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 168.
[#9] Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 134 ff.
[#10]Vgl. Sprenger: Mythos Motivation, 2007, S. 42 ff.

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